Am 08. Februar 2023 hatte der SPICKER die Möglichkeit, den bekannten deutschen TV-Moderator Steven Gätjen bei dem letzten Workshop der Podiumsdiskussion „MR fragt…“ zu treffen und diesem ein paar Fragen zu stellen. Am Rande des Workshops ging es im Gespräch mit unserem stellvertretendem Chefredakteur ums Moderieren und den Weg dorthin. Yunis durfte Steven Gätjen duzen. Er führte das Interview und tippte dieses für euch ab. 

SPICKER: Was kennzeichnet einen guten Moderator oder eine gute Moderatorin?

Steven Gätjen: Oh, das ist eine echt gute Frage. Ich glaube, dass der Job der Moderatorin oder des Moderators ist, alles zusammenzuhalten; in einer Show oder in einer Talkrunde. Das heißt: so ein bisschen die Kontrolle zu behalten, in welche Richtung es geht und ob alles funktioniert und spontan auch auf Dinge zu reagieren, die vielleicht nicht geplant waren. Ob es in ‘ner Spielshow ist oder in einer Talkrunde mit einem extrovertierten Gast oder einer extrovertierten Gästin. Und vor allen Dingen eine gute Vorbereitung. Und dann am Ende ein bisschen Witz, Eloquenz und Charme. 

SPICKER: Wie bereitet sich ein*e Moderator*in auf das Moderieren einer Sendung vor?

Steven Gätjen: Ich kann da nur aus der persönlichen Perspektive sprechen. Also für mich ist ganz wichtig, dass ich den ganz klaren Ablauf von dieser Show kenne. Also, dass ich weiß: Wo geht’s los? Wo soll es enden?. Wenn es eine Spielshow ist, bin ich auch in den Proben immer involviert, die Regeln nochmal durchzugehen und zu gucken, ob auch alles funktioniert, wie man das genau aufbauen könnte. Wenn es jetzt etwas ist wie der Rote Teppich bei den Oscars, dann ist für mich wichtig, alle Filme zu gucken, mich auf jeden eventuellen Gast – weiblich, männlich oder divers – auch mich darauf vorzubereiten, Fragen aufzuschreiben, dass ich spontan darauf reagieren kann, damit die Leute auch einfach wissen, dass ich mich mit dieser Thematik auseinandergesetzt habe und mich gut vorbereitet habe. Und das dauert manchmal ein paar Wochen, dauert manchmal ein paar Tage, dauert aber manchmal auch ein paar Stunden, je nach Aufwand. Und Interesse haben, also Spaß daran haben. Also ich glaube, dass ist ganz, ganz wichtig bei der Vorbereitung.

Steven Gätjen beim „MR fragt…“ Workshop ©Leon Till

SPICKER: Was sind die Voraussetzungen für den Beruf als Moderator? (So etwas wie ein Studium, etc.)

Steven Gätjen: Oh, das ist ganz spannend. Es gibt natürlich so klassische Studiengänge. Also du kannst natürlich Politik, Geschichte, Deutsch, Literatur oder Kunst studieren und dann kommst du über dein Lieblings-Interessenfeld in die Moderation. Ich hab’ damals beim Radio eine Ausbildung gemacht, ein Volontariat. Ich glaube das war schon sehr spannend, weil du da lernst, zu sprechen, auf Punkt zu sprechen, gewisse Moderationen zu schreiben, das ein bisschen zu kompakter zu gestalten. Kannst auch Journalismus studieren oder an eine Medienschule gehen. Ich glaube, dass es im Endeffekt nicht die Blaupausen gibt, also es gibt keinen klaren Weg dahin. Ich finde es wichtig, dass man sich mal ausprobiert und die Möglichkeiten heutzutage sind ja noch viel größer als damals, als ich angefangen habe, durch Tiktok, Twitch, Youtube, Instagram kannst du dich ja schonmal in der Wahrnehmung nach draußen ausprobieren und schauen, ob da jemand Bock hat, Yunis [Interviewer] als Moderator in Zukunft zu sehen. Also vor allem Spaß und Interesse und Lernen und gucken, was man da alles lernen und machen kann. 

Steven Gätjen: Coole Fragen!

SPICKER: Was sind Tipps, denen du Leuten, die das erste Mal vor der Kamera stehen, geben würdest? 

Steven Gätjen: Ich finde ganz ganz wichtig ist, dass man keine Angst haben darf vor Fehlern. Dieser Perfektionismus, der einem immer so ein bisschen vorgelebt wird in unserer Gesellschaft und wenn alle immer sagen: „Ja, das ist ja doof, wenn du da irgendwie einen Fehler machst.“. Das ist totaler Quatsch. Ich finde Authentizität ist ganz wichtig, also, dass du authentisch bleibst, dass du du selber bist, weil das ja kein Spiel ist. Du bist ja kein Schauspieler oder eine Schauspielerin. Und wie gesagt: Wenn man sich verspricht, darauf reagieren. Manchmal fallen die Fehler, die man selbst so extrem wahrnimmt, den anderen gar nicht auf. Dann kannst du einfach drüber weggehen. Wenn du eine falsche Jahreszahl nennst, dann sagst du einfach: „Ups, da hab ich mich einfach vertan, es war doch 50 Jahre früher, 1957.“. Und das ist glaube ich wichtig. Und lernen, du wächst ja mit der Aufgabe. Und nicht stressen.

SPICKER: Und Tipps, die du denen geben würdest, die gerne vor der Kamera stehen würden?

Steven Gätjen: Ich glaube: Einfach mal probieren, einfach mal schauen. Also ich glaube, wenn man gerne vor die Kamera möchte, hat man da auch so’n bisschen so’n Hang dazu, mit Leuten auch zu sprechen, vielleicht hat man gewisse Stärken, die man gerne auslebt. Und dann würde ich sagen, einfach wirklich mal probieren, mit dem Handy sich selber aufzunehmen, mal ‘ne Moderation zu schreiben, dann auch mal gucken, wen man toll findet, da draußen mag. Ist es jetzt ein MontanaBlack oder ein TryMacs oder ein Kai Pflaume oder ein Joko oder eine Jeannine Michealsen oder Hadnet oder „Vivi“ Geppert, da gibt es ja ganz ganz viele. Und dann einfach mal schauen: Was machen die? Was gefällt mir daran? Kann ich das eventuell auch? Und dann groovt man sich so ein.

SPICKER: Wie startete deine Karriere, beziehungsweise wie war dein Weg zur “Berühmtheit”?

Steven Gätjen: Ich wollte eigentlich nie ins Fernsehen. Ich wollte ursprünglich Medizin studieren und habe dann in der Pause vor dem Start meines Studiums ein Praktikum beim Radio gemacht und habe gemerkt, dass mir das sehr viel Spaß gemacht hat. Also mit Leuten zu reden, Beiträge zu machen, bisschen zu schnacken und Musik. Und habe dann ein Volontariat begonnen und hab dann da eine Ausbildung gemacht: Beiträge schneiden, bearbeiten, richtig recherchieren und bin dann so reingerutscht und bin seitdem da hängengeblieben. Und das macht mir sehr viel Freude, weil ich das großartig finde. Ich darf mit vielen tollen Menschen; so wie dir, sowie auch mit anderen Menschen. Das ist sehr abwechslungsreich und das ist ein langer Weg. Ich glaub man muss auf der anderen Seite immer bedenken, dass ich das jetzt schon bald 30 Jahre mache, was schon sehr lang ist. Und da gibt es auch harte Phasen und Phasen und in denen es nicht gut läuft, aber grundsätzlich ist es echt

Steven Gätjen und Yunis (Interviewer) ©Leon Till

SPICKER: Du hast oft mit „Berühmtheiten“ zu tun. Bist du der Meinung, dass sich diese privat anders verhalten als vor der Kamera?

Steven Gätjen: Ich glaube, dass du bestimmt als richtiger „Superstar“ – nehmen wir jetzt mal einen Brad Pitt oder Dwayne „The Rock“ Johnson oder Jennifer Lawrence – dich vor der Kamera mehr schützt, weil du bist ja so und so schon im Fegefeuer der Öffentlichkeit bist und immer aufpassen musst, was du sagst. Es wird immer alles auf die Goldwaage gelegt: Wenn du irgendwann mal betrunken in der Kneipe auftauchst, dann sind da tausend Handys da. Ich glaube, dass man dann automatisch einen Schutzmechanismus entwickelt, aber ich finde, es ist auch die Aufgabe von uns – also von der anderen Seite, denen ein Gefühl zu geben, dass sie sich wohlfühlen können und auch im Interview ein bisschen erzählen. Also dass man nicht immer so draufdrückt und presst, sondern einfach mal abwartet, wie viel die einem auch preisgeben wollen. Aber bei vielen ist es nicht unbedingt ein Spiel, sondern bei vielen ist es auch die echte Persönlichkeit, die dahinter steckt. 

Ich glaube, dass du Leuten immer genau so begegnen solltest, wie du auch selber behandelt werden möchtest und wenn dich eine Person nicht nett behandelt, dann musst es dieser Person auch sagen. Also ich finde nur, weil eine Person bekannt ist, heißt das noch lange nicht, dass diese Person dich schlecht behandeln darf.

SPICKER: Wie unterscheidet sich das Moderieren von politischen Formaten (wie zum Beispiel MR fragt…) zu dem Moderieren von Fernseh- oder Gameshows?

Steven Gätjen: Ich würde mal sagen das Handwerk ist das gleiche: Gute Vorbereitung, zuhören, seinem Bauch auch sozusagen nachfühlen; Also wenn man eine Nachfrage hat, sollte man darauf reagieren. Aber ich glaube ganz wichtig ist immer das Zuhören. Egal, ob es eine große Gameshow ist, wo du ja auch darauf achten musst: Was machen die Leute, die da mitspielen? Hab ich die Regeln richtig erklärt? Verstehen das alle? Und hier ist natürlich noch wichtiger, manchmal auch die Leute im Zaum zu halten. Bei Joko und Klaas ist es genau so, nach Spiel 1 oder 2, habe ich auch manchmal das Gefühl: Wenn ich sie nicht festhalte, laufen sie – im Positiven – Amok. Aber das ist meiner Ansicht nach das gleiche Fundament. 

SPICKER: In welchen Punkten würdest du sagen, ist der (Print-) Journalismus mit der TV-Moderation verwandt?

Steven Gätjen: Also eine Moderation wird ja genau so geschrieben wie ein Artikel, nur natürlich aus der Ich-Perspektive, aus der Subjektiven. Und der Journalismus, den ihr betreibt, ist ja eher objektiv, also beobachtend. Ihr versucht ja eigentlich, mehr Informationen nach vorne zu bringen und der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das mach ich auch, aber natürlich aus meiner Perspektive, was ich gut finde und wie ich es auch sprechen würde. Du weißt ja selber: Eine geschriebene WhatsApp-Nachricht ist was anderes, als wenn du mit der Person telefonierst, weil manchmal ist das geschriebene Wort missverständlicher als das gesprochene Wort. Da hab ich natürlich einen Vorteil, aber ich glaube Neutralität ist beim Printjournalismus ja ganz wichtig – es sei denn, es steht drin, dass es eine Meinung ist.

SPICKER: Du führst ja auch oft Interviews – und hast du auch schon lange gemacht; wie führt man ein solides und unterhaltsames Interview?

Steven Gätjen: Das muss jeder für sich selber entscheiden. Mein Tipp wäre grundsätzlich: Super Vorbereitung. Also dass du ganz genau weißt: Wofür steht diese Person? Was ist ihre Meinung? Eher heißblütig oder eher etwas zurückhaltend, kurze oder lange Antworten? Dass du darauf gefasst bist. Es kann ja natürlich auch sein, dass du in ein Interview gehst und denkst dir die tollsten Fragen aus und dann kommt da als Antwort: „Ne, hab ich nicht“ oder „Ja, könnte sein“. Das nimmt einen dann immer so ein bisschen raus. Und was ich immer mache: Ich stelle ihnen die sogenannte „IceBreaker“ Frage – also zum Eisbrechen. Dass du einsteigst, indem du so ein bisschen Smalltalk betreibst. Also im Sinne von: Entweder weißt du, die Person liebt Hunde und dann sagst du: „Sag mal, haben Sie eigentlich selber Hunde, ich habe gehört, dass Sie Hunde lieben.“ „Was? Woher weißt du das denn?“, und schon bist du auf so ‘ne nette Art und Weise in einem Gespräch mit der Person. Oder wenn du ein Interview über einen Film machst und dir ist eine bestimmte Szene aufgefallen und du sagst: „Da hatte ich irgendwie das Gefühl – bei dem Stunt – haben Sie sich wirklich richtig weggetan, zumindest sah man das in Ihren Augen.“ und schon hast du wieder eine Ebene, weil die Person, die dir gegenübersitzt, so merkt: „Oh! Der hat sich richtig interessiert, richtig reingehängt und hat richtig Bock mit mir zu sprechen.“.

SPICKER: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Beitragsbild zeigt Steven Gätjen mit Yunis [Interviewer] in der MRG-Aula.

Von Yunis

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