Der SPICKER bei Bundesministerin Svenja Schulze in Berlin zu Gast — Was wurde gesagt?

Der SPICKER war am 9. Dezember in Berlin zur Jugendpressekonferenz des Jugendmedienzentrums Deutschland eingeladen. Diese fand im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit der Bundesministerin Svenja Schulze (SPD) statt. Es war drei Mitarbeitern des SPICKERs, neben 51 weiteren jungen Journalist*innen aus Gesamtdeutschland, möglich, der Ministerin ihre Fragen zu stellen. Doch wie verlief die Jugendpressekonferenz und welche Fragen stellten die Mitarbeiter des SPICKERs?

Wie verlief die Jugendpressekonferenz?

Um Punkt 14:00 Uhr betrat die Ministerin den Raum, in dem bereits alle jungen Journalist*innen gespannt noch Nikolai Fichtner (Pressesprecher des BMZ) zuhörten, welcher noch die letzten an ihn gerichteten Fragen beantwortete. Dabei setzte sich Svenja Schulze noch kurz in die erste Reihe, unweit eines SPICKER-Mitarbeiters, bis sie dann das Wort ergriff.

Bundesministerin Svenja Schulze (SPD) mit Mitarbeitern des SPICKERs,
©Felix Zahn/photothek.de

Zu Beginn nannte die Ministerin erstmal die Aufgabenfelder des Ministeriums sowie ein paar Themenschwerpunkte, die „großen Herausforderungen“ wie sie diese nannte, und hob dabei vor allem die Abnahme der biologischen Vielfalt und den Klimawandel hervor. Sie ging auch auf die Rolle von Frauen („feministische Außenpolitik“) und die Unterstützung indigener Bevölkerungen in den Partnerländern ein.

Dann erhielten die Journalist*innen die Möglichkeit, ihre Fragen zu stellen, wobei willkürlich entschieden wurde, welche der sich meldenden Personen als nächste ihre Frage stellen durfte. Es wurde gefragt, wie die Ministerin auf die Idee gekommen sei, Politikerin zu werden, und ob sie sich bei Regierungsantritt ein Ziel gesetzt habe. Darauf antwortete sie, dass sie in der Schulzeit Schulsprecherin gewesen und „über die Schüler- und Schülerinnenarbeit in die Politik hinein gekommen“ sei. Es sei jedoch nicht geplant gewesen, Ministerin zu werden: „Das könne man nicht planen.“ Auf eine weitere Frage antwortete sie wie folgt: „Was wirklich am aller spannendsten ist, ist mit Menschen aus den unterschiedlichsten Hintergründen in Kontakt zu kommen […], so viele spannende Begegnungen.“

Es wurden aber auch immer wieder Fragen zu einzelnen Ländern gestellt, beispielsweise, wie man Gelder für humanitäre Hilfe in Afghanistan nicht den Taliban zugutekommen lassen würde oder nach der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Menschenrechte verletzenden China, worauf die Ministerin zusammenfassend  meinte: „[…] nicht den internationalen Handel einstellen, aber diversifizieren und dann Verantwortung für unsere Lieferketten übernehmen“. Später sagte sie im Bezug auf chinesische Investitionen in die Entwicklung Afrikas: „China spielt eine inzwischen wirklich schwierige Rolle.“

„Die größte Herausforderung war wirklich auf den Krieg einzugehen“, meinte die Ministerin auf eine Frage, bei deren Antwort sie sich auf den Krieg in der Ukraine bezog. Am Anfang hatte sie dazu bereits eine Lieferung von 3.000 Generatoren in die Ukraine hervorgehoben.

Ein junger Journalist fragte auch: „Wenn Sie mit so vielen, vor allem entwicklungsschwachen Ländern zusammenarbeiten, wie können Sie sicherstellen, dass keine Abhängigkeit von Deutschland entsteht?“ Darauf antwortete die Ministerin, dass es Unterreferate im Ministerium gebe, die diese Regionen im Blick hätten, doch die unmittelbare Arbeit vor Ort werde von Durchführungsorganisationen und auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) gemacht, welche sich sehr auf Länder spezialisiert hätten. „Wir setzen immer darauf, dass wir auch Know-How, Kenntnisse und Wissen vor Ort einbeziehen.“

Herr Kolb von Jugendmedienzentrum Deutschland e.V. und Svenja Schulze ©SPICKER

Auf Fragen zu der Arbeit des Ministerums sagte Svenja Schulze: Lebensmittel unmittelbar liefern, sei Aufgabe im Auswärtigen Amt. „Alles was längerfristig ist, ist hier bei uns.“ Auf eine andere Frage zum Ministerium entgegnete sie: „Ich würde mir sehr wünschen, dass auch in den deutschen Medien über Entwicklungszusammenarbeit berichtet wird. Ich war ja vorher mal Umweltministerin, dort gab es jeden Tag Anfragen von Journalisten und Journalistinnen, die was von uns wissen wollten. Das ist im Entwicklungsbereich nicht so. […] Wir müssen um jedes Interview im Grunde genommen kämpfen […] und meistens wird das berichtet, was schief läuft“ oder auf eine Frage nach der Finanzierung von Projekten unter anderem: „Es ist immer zu wenig Geld.“ Zwischendurch kamen auch etwas ungewöhnliche Fragen, beispielsweise nach den Gründen der Inflation oder einer Stellungnahme zum Sondervermögen für die Bundeswehr.

Bemerkung:

Die Ministerin nahm oft bei der Beantwortung der Fragen eine sehr erklärende Haltung ein und schaffte es so auch regelmäßig, dem Kern der Frage auszuweichen und diesen nicht zu beantworten. Dies ermöglichte ihr womöglich auch das ein oder andere Mal, etwas kritischere Fragen nicht genau beantworten zu müssen. Auch die Nervosität der jungen Gäste war zu spüren.

Unsere Fragen und die Antwort der Ministerin:

Frage von Levin: 

Frage von Levin mit der Antwort von Svenja Schulze
©SPICKER

„Wieso haben Sie als bundespolitisch erfahrene Politikerin das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zugewiesen bekommen, während bundespolitisch unerfahrene oder bereits aus der Politik verabschiedete Politiker*innen ihrer Partei mit die wichtigsten Ministerien besetzen?“

Die Frage hat sich auf die Verteilung der Ministerien der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) bezogen und hinterfragte die Besetzungen der Ministerien durch den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die Ministerien des Inneren und der Verteidigung wurden jeweils nicht mit bundespolitisch erfahrenen Politiker*innen besetzt. So besetzt Nancy Faeser (SPD) das Ministerium für Inneres, eines der wichtigsten Ministerien in diesem Lande, obwohl sie bis dahin bundespolitisch nicht aktiv gewesen war und einzig den Landesverband Hessens geleitet hatte. Die Ministerin für Verteidigung, Christine Lambrecht, hatte sich bereits aus der Bundespolitik verabschiedet und ist nur auf Bitten des Bundeskanzlers zurückgekehrt, während Svenja Schulze bereits Bundesministerin im letzten Kabinett war und auch wieder in die Regierung wollte.

Die Ministerin schmunzelte auf diese Frage hin und konnte sich auch ein leichtes Lachen nicht verkneifen, antwortete bzw. konterte dann aber mit der Bedeutung des Ministeriums und dass sie dieses als doch sehr wichtig einschätze, obwohl die Medienpräsenz nicht so stark sei.

Svenja Schulze: „Die Arbeit, die wir hier leisten, ist enorm wichtig und die Rückmeldungen, die wir aus unseren Partnerländern bekommen, sind auch genau so, dass dies eine wichtige Arbeit ist.“

Die Frage, die sie aus meiner Frage ableitete, „Warum bin ich in diesem Ministerium?“, beantwortete sie mit ihrem alten Ministerium (Bundesministerium für Umwelt und Klimaschutz), indem sie sagte, dass sie bereits „eine ganze Menge“ Erfahrungen in den Themen Klima, Diversität und Naturschutz habe, welche sie „in dieses Haus“ mitbringe. Des Weiteren argumentierte sie damit, dass ihr dieses Thema sehr am Herzen liege und sie froh sei, dass Olaf Scholz ihr dieses Ministerium zugeteilt habe, da es zwar nicht so eine große Medienpräsenz wie das Umweltministerium habe, aber auf jeden Fall genau so wichtig sei.

Auf die Frage, wieso die anderen Ministerinnen ihrer Partei in diesen hohen Ämtern sind, antwortete sie nicht, doch die Frage, ob sie freiwillig dieses Ministerium bekam, beantwortete sie nebenbei: Da ihr das Amt vom Bundeskanzler zugewiesen worden sei und sie es annehmen musste oder sonst aus der Regierung gefallen wäre. 

Frage von Leon Till:

Wenige Minuten später konnten wir endlich auch unsere nächste Frage stellen: „Kann die ganze Welt den Wohlstand haben, den es in Deutschland gibt, oder müssen wir vielleicht auch auf Wohlstand verzichten, wenn in Entwicklungsländern der Wohlstand steigen soll? Müssen wir sozusagen auch auf Sachen verzichten, damit es den Leuten besser geht und profitieren wir auch davon, dass es denen nicht so gut geht?“

Während der Fragestellung zeigte sich die Ministerin verständnisvoll und nachdenklich und fuhr dann mit ihrer Antwort fort, welche sich auf den zweiten Teil der Frage bezog: „Im Moment profitieren wir in vielen Bereichen, weil wir es schaffen, billige Rohstoffe, die wir hier weiterverwenden und dann eben teurer wieder verkaufen, oder profitieren, indem unsere T-Shirts einfach nur ganz, ganz wenig kosten. Wenn sie ein bisschen mehr kosten würden, könnten die Näherinnen, die das nähen, von dem Geld auch leben, was sie verdienen. […] Also, vieles was wir uns hier leisten, geht auf Kosten anderer.“ Eine recht und durchaus überraschend klare Antwort auf den zweiten Teil der Frage. Sie fuhr fort mit „Aber was ist eigentlich Wohlstand?“ und beschrieb dann, dass Wohlstand in Entwicklungsländern Zugang zu Strom, Mobilität und Wasserversorgung sei. Dabei beleuchtete sie, dass Strom auch aus „Erneuerbaren“ kommen könne, es Alternativen zum Verbrennungsmotor gebe und Wasser auch nachhaltig genutzt werden könnte. Sie rief zu einer Debatte über Wohlstand in Deutschland auf und fragte nach einem kleinen Abschweifen ins Thema Fast Fashion: „Wie viel brauchen wir eigentlich?“ und „Ist eigentlich viel immer auch Wohlstand oder wäre nicht weniger und besser auch etwas, was uns guttut? Ich will da gar nichts vorschreiben, aber ich würde das gerne mal diskutieren.“ Also keine Vorschriften und keine konkrete Beantwortung des ersten Teils der Frage, hingegen ein Plädoyer für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Während sie also ganz klar benennt, dass unser Lebensstil auf Kosten anderer aufgebaut ist, und das Ziel verfolgt, den Wohlstand von Menschen in Entwicklungsländern auszubauen, möchte sie keine Vorschriften und geht womöglich gezielt nicht darauf ein, ob Industriestaaten und somit auch Deutschland auf Wohlstand verzichten müssen.

Frage von Jonathan:

Meine Frage bezog sich auf geraubte (Kunst-)Schätze aus Kolonialzeiten in deutschen Museen. 

In vielen deutschen Museen sind immer noch viele geraubte Schätze aus dem Kolonialerbe Deutschlands. Vor einiger Zeit wurden 23 dieser Artefakte an Namibia zurückgegeben, allerdings lediglich als Dauerleihgabe. Danach fragte ich die Ministerin. Unglücklicherweise gehörte meine Frage zu den letzten, wodurch sie nur hastig beantwortet werden konnte.

Schon bevor ich die Frage fertig fragen konnte, nickte Svenja Schulze zustimmend. Sie ist der Auffassung, dass man sich mit dem Thema unbedingt mehr auseinandersetzen müsste. Laut ihr solle geraubte Kunst auf jeden Fall zurückgegeben werden. Weiter sprach sie von einem „Ausbrechen aus kolonialem Denken”.

Heute, am 20.12.2022, wird die Außenministerin einen Teil der Benin-Bronzen, 20 Kunstwerke, an Nigeria zurückgeben. Zudem sollen ca. ein Drittel der Benin-Bronzen in deutschen Museen als Leihgabe verbleiben.

Zum Schluss lässt sich sagen, dass die Jugendpressekonferenz nicht makellos war, jedoch äußerst spannend in der Thematik. Der SPICKER konnte seine Fragen gut einbringen und gehörte mit zu den kritischsten Teilnehmer*innen der gesamten Pressekonferenz. Die Ministerin wich zum Teil vom Kern der Frage ab und beantwortete sie dadurch nicht direkt, jedoch immer respektvoll. 

Beitragsbild: ©Felix Zahn/photothek.de

Autoren: Jonathan, Leon Till und Levin A.

Aktualisiert am 29.01.2023.

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