Es war kurz nach halb vier am Montagnachmittag: Amelie, Jo, das Technikteam (Yi, Heba und Sarah) und ich saßen – negativ getestet 😉, noch entspannt in Anbetracht dessen, was bald passieren würde – auf dem Parkgaragendach der Meile und aßen in der Sonne Pizza und etwas vom Inder. Mit Vorfreude und Respekt sehnten wir uns der als Livestream geplanten Podiumsdiskussion „Margaretha Rothe fragt“ entgegen. An diesem Tag passierte so viel, dass ich alles von vorne erzählen muss.

Seitdem wir seit Oktober 2020 mit den Planungen beschäftigt waren, lief mehr oder weniger alles von Tag 1 rund. Auf mehreren Workshops machten wir uns Gedanken, wie wir das Format „MR fragt“ ohne Zuschauer*innen umsetzen wollten, welche inhaltlichen Schwerpunkte wir setzen wollten, mit wem wir diskutieren wollten … Den bis zum Veranstaltungstag größten Strich durch unsere Rechnung machte uns ausgerechnet das Hin und Her mit den Behörden und eine namentliche Abstimmung im Bundestag, weswegen wir unsere Podiumsdiskussion zwei Mal in den Märzferien verschieben mussten.

Am 29. März – dem großen Tag, auf den wir ein halbes Jahr hingearbeitet hatten – scheint die Sonne und und wir treffen uns in der Schule, um uns selbst auf Corona zu testen. Anschließend laden wir unsere ganzen Bastelmaterialien für das Bühnenbild und unsere Hemden, Blusen und Hosen bei Herrn Schlüter ins Auto und ab geht’s zu „Tide TV“. Das ist ein Bürgersender, bei dem jede*r Radio- und Fernsehsendungen produzieren kann.

Das Tide-Studio durch das Fenster des Regieraums © Levin

Einige von uns haben das Studio schon bereits vorher gesehen, doch für mich ist es an diesem Tag neu. Auch wenn man Studios im Fernsehen immer sieht und auch grobe Vorstellungen von der Technik dahinter hat, ist es ein ganz anderes Gefühl, wenn man dann selbst in einem steht. Die großen Kameras, die zahlreichen Lichter, die von der Decke herunterhängen, und die Monitore im Regieraum oben lassen bei mir große Achtung vor dem Team dahinter entstehen.

Für 14 Uhr ist die Vorbesprechung terminiert, wir klären Fragen und basteln an den Moderationskarten und am Bühnenbild. Das Technikteam ist bis auf das letzte Detail penibel: Dass die Plakate perfekt hängen, dass die Bonsai gut positioniert sind und selbst Origami basteln wir im Studio noch!

Uns allen knurren die Mägen, da die einzige Mahlzeit, das Frühstück, schon lange zurückliegt – der Zeit und Aufregung wegen –, sodass das Curry und der Mango-Lassi auf dem Parkgeragendach der Meile doppelt so gut schmecken. Die Auszeit brauche zumindest ich, um den Kopf einmal freizubekommen und nicht immer „um 19 Uhr ist es so weit“ oder noch „X Stunden bis Veranstaltungsbeginn“ im Kopf herumschwirren zu haben.

Back im Studio wird es langsam ernst, wir ziehen unsere Sachen an (ich kann mich erst jetzt entscheiden, was ich genau anziehen soll), gehen in die Maske und nehmen unsere Plätze zum letzten Technikcheck ein. Nacheinander werden wir verkabelt und es kommt zum Toncheck. Kurz vor knapp werden wir noch darauf hingewiesen, in welche Kameras wir überhaupt schauen müssen und was wir noch alles zu beachten haben. Ab dann geht die Kommunikation nur noch über den Produktionsmanager, der einen „Knopf im Ohr“ hat und somit mit der Regie oben in Kontakt steht.

Bereit für die Sendung sind wir aber bei weitem noch nicht; ich muss noch meinen Laptop hochfahren und mein verdammtes Twitter-Passwort zurücksetzen, um dann überhaupt die Zuschauerfragen lesen zu können. Um 18:57 Uhr telefoniere ich kurz noch mit Lotta, um Erfolgswünsche an Amelie zu übermitteln, weil sie vorher nicht erreichbar war, und um 18:58 Uhr klingelt mein Telefon, weil die Probleme mit Zoom ihren Anfang nehmen.

Hinter mir steht ein Fernseher, auf den ich immer mal wieder schiele und sehe, wie nacheinander Gysi und von Redecker im Warteraum auf Einlass warten. Hals über Kopf – so kommt es mir zumindest dann vor – beginnt das Intro und Amelie begrüßt uns alle mit ihrem freundlichen „Herzlich Willkommen zu Margaretha Rothe fragt […]“.

Auf dem Laptop muss ich erst einmal für Ordnung sorgen; Twitter? Check. Notizprogramm funktioniert und gleichzeitig den YouTube-Livestream einschalten, man will ja doch wissen, wie viele einem zuschauen. Mit dem Fokus zurück auf die Sendung bin ich super zufrieden; es läuft.

Falsch gedacht!

Man hört Neubauer nicht im Studio unten, auch beim zweiten Versuch nicht – so langsam denke ich mir, das wird nix, kaum fängt es an, müssen wir die Sendung wegen eines technischen Defekts abblasen. GLÜCKLICHERWEISE ist das nicht der Fall, es geht ohne größere Unterbrechungen weiter. Zumindest bis dahin, als ich von Sude informiert werde, dass Rolle nicht reinkäme. Was soll ich bloß tun? Ich kann Herrn Hübner nicht sprechen, er ist oben und dieses Studio ist ein gefühlter Bunker ohne Telefonempfang – was also soll ich tun?!? Ich öffne schnell das Mailprogramm und tippe in die Tasten „HERR ROLLE KOMMT NICHT REIN!“ und sende die Mail an Herrn Hübner, in der Hoffnung, dass er sie lesen wird.

Die Dinge nehmen ihren Lauf und er kann sich irgendwann dann doch zuschalten. Für mich zählen nur zwei Dinge: a) dass die Sendung gut weiterläuft und es hoffentlich zu keinen erneuten technischen Problemen kommt und b) dass ich auch Zuschauerfragen bekomme.

Eine große Unterstützung für die Zuschauerfragen ist für mich auch unser privater Gruppenchat mit über tausend Nachrichten, den ich nebenbei überfliegend mitlese und der die Stimmung zumindest bei mir nicht nur durch Mut machende Nachrichten, sondern auch lustige Kommentare aufmuntert. Nachteilig ist, dass es dadurch surrealer für mich wird; ich fühle mich wie ein Zuschauer, der von zu Hause aus zugeschaltet ist und gar nicht anwesend im Studio eine Livesendung mitmoderiert.

Für mich kommt dann auch der Moment, an dem ich eingebunden bin. Zumindest soll er das: Denn jeder Gast will noch etwas zu den Subventionen sagen und es zieht sich eine gefühlte Ewigkeit hin. Aber jeeetzt bin ich dran. Schön geradeaus gucken, auch wenn das Licht blendet, die Fassung bewahren und laut und deutlich sprechen, gehe ich noch einmal in meinem Kopf durch. Als ich dann rede, kommt mir das ehrlich gesagt wie eine Leichtigkeit vor, vielleicht auch dadurch, dass ich nichts und niemanden sehe. Es haut ja schlussendlich hin, die Gäste streiten sich herrlich um die Frage zu den Eigentumshäusern …

In der nächsten Zeit passiert nichts Auffälliges. Auf meinem Laptop ist wie gewohnt eine Uhr und die zeigt nichts Gutes an: Durch die Technikprobleme und dadurch, dass einige Gäste Monologe halten, ohne dass Amelie und Jo etwas dagegen unternehmen können, geraten wir in Zeitprobleme. Das Ende findet leider wie der Anfang sehr überstürzt statt: Neubauer ist bereits weg, dann möchte Scheer wegen eines ÄUẞERST dringenden „anderen Formats“ schnell weg und Ploß schließt sich dem an. Auf dem Bildschirm gegenüber wird es leerer und der Produktionsmanager weist an, dass Amelie und Jo abmoderieren sollen. Wir alle sind der Meinung, dass es nicht unsere Schuld ist, dass es so abrupt enden muss, sondern das Benehmen einzelner Gäste.

Der Regieraum, wo alles zusammenläuft © Levin

Die Sendung ist vorbei und wir sind selbstverständlich erleichtert. Herr Hübner kommt völlig abgespannt in das Studio. Zum einen gratuliert er und zum anderen erzählt er uns, wie sehr er sich über das Verhalten der Gäste aufgeregt habe: Dass Gysi sich vor laufender Kamera auf leeren Magen betrunken und uns angepflaumt habe, dass Ploß zwischendurch verschwunden sei und wie sich Scheer von uns verabschiedet habe.

Dank Corona durften wir die Gäste schon nicht in Person vor Ort begrüßen, zusätzlich müssen wir auch auf das gemeinsame Essengehen danach verzichten, eine Tradition, die wie die Reise nach Brüssel ins Wasser gefallen ist. Besser als die Technik vor Ort funktioniert die IServ-Videokonferenz, sodass wir als Team dort den Abend ausklingen lassen.

Zusammen mit den Reaktionen in der Regie könne man – wie Herr Hübner am nächsten Morgen anmerkt – ein Drama im Stile der alten Griechen zu all dem Unvorhergesehenen und den Wendungen verfassen. Dieses Jahr ist es besonders wichtig, zwischen den intensiven Vorbereitungen und der Podiumsdiskussion zu unterscheiden. Denn die Arbeit des gesamten Teams war Spitzenklasse, weswegen wir trotz alledem mit Stolz zurückblicken können.

Für die Arbeit und Mühe muss ich einfach Lob an unser gesamtes Team senden und mich bedanken! Wir haben das gut gemacht!

Ich war am 29. März 2021 dritter (Twitter)-Moderator bei „Margaretha Rothe fragt“ und stellte die Fragen von Zuschauer*innen aus den Sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #fragtmrfragt an unsere Gäste. Geladen waren Luisa Neubauer, Gregor Gysi, Carsten Rolle, Christoph Ploß, Eva von Redecker und Nina Scheer. Das Video des Livestreams ist aufgrund jugendschutzgesetzlicher Bestimmungen nicht abrufbar.

Von Levin

Ein Gedanke zu “„MR fragt“ – Was wir nicht kommen sahen”

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